Ich habe der Stadt Göttingen und ihrer Uni viel zu verdanken.
Dort durfte ich endlich studieren, was mir in der DDR nicht möglich gemacht wurde: Geschichte und Völkerkunde.
In der DDR hätte ich Diplom Bauingenieur werden können für Plattenbauten. Durch die Wende konnte ich mich an der Universität Göttingen einschreiben.
Ich wäre auch nach Jena gegangen, aber niemand wusste, was aus den ostdeutschen Universitäten wird. In Göttingen blieb alles beim Alten. Und Göttingen lag näher an Zuhause. Göttingen war aber eine andere internationale Welt.
In Göttingen durfte ich endlich mein Traum-Studium beginnen. Einfach so. Ich durfte erforschen, was mich interessierte: Geschichte und Indianer.
Und ich fand beste Freunde aus ganz Deutschland und der Welt. Und ich fand eine riesige Bibliothek voller Wissen. Wahnsinn. Das war das Paradies. So viel Wissen in Büchern. Ich schwelgte. Wie 'ne Maus in ner Käserei.
Mein Studium begann ich in einer Zeit, als in der Mensa für Ossis noch Plastic mit Plaste übersetzt wurde. Damit wir keine künstlerische Figuren in die entsprechenden Tonne warfen, sonder leere Jogurtbecher. Für ausländische Studenten gab es eine Einführung in den westdeutschen Alltag. Wir Ossis mussten alles selbst erfragen. Allerdings waren wir german nativ speakers. Das half.
Bald war das vergessen. Und die Welt öffnete sich mir. Und auch die Stadt. Ich LEBTE in Göttingen, auch an den meisten Wochenenden und in den Ferien. Fast zehn Jahre lang.
Und plötzlich hatte ich nach sechs Jahren den Magister-Titel. Ich, der native speaker aus dem Beitrittsgebiet, der zu Plastic Plaste sagte. Und der sich dreiviertel nach Um verabredete, statt viertel vor dem nächsten Um. Irgendwie so. Gut, dass es Digitaluhren gab.
Ich hatte das erste Studium abgeschlossen. Ein Jahr lang musste ich den Abschluss in Latein machen, das Latinum, weil ich Latein nicht in der Schule hatte.
In der DDR durfte ich auch nicht Archivwesen studieren. Das gelang mir endlich 30 Jahre danach. In der Fachhochschule Potsdam schaffte ich den Master in Archivwissenschaft.
Eine große Sache: Mir gelang es, die Potsdamer Masterarbeit in Göttingen verteidigen zu dürfen. Der Erstgutachter war ein Professor in Potsdam, der Zweitgutachter mein Lieblingsprofessor in Göttingen.
Beide Studien trafen sich in Göttingen, gaben sich die Hand und schenkten mir die Titel Magister und Master.
So schloss ich schließlich de facto in Göttingen zwei Hochschul-Studien ab.
So schlossen sich Kreise. Das war toll. Das ist toll. Danke Göttingen.