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„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, ein vernünftiges Wort sprechen.“ _Johann Wolfgang von Goethe

Göttingen und ich


Ich habe der Stadt Göttingen und ihrer Uni viel zu verdanken.

Dort durfte ich endlich studieren, was mir in der DDR nicht möglich gemacht wurde: Geschichte und Völkerkunde.

In der DDR hätte ich Diplom Bauingenieur werden können für Plattenbauten. Durch die Wende konnte ich mich an der Universität Göttingen einschreiben.

Ich wäre auch nach Jena gegangen, aber niemand wusste, was aus den ostdeutschen Universitäten wird. In Göttingen blieb alles beim Alten. Und Göttingen lag näher an Zuhause. Göttingen war aber eine andere internationale Welt.

In Göttingen durfte ich endlich mein Traum-Studium beginnen. Einfach so. Ich durfte erforschen, was mich interessierte: Geschichte und Indianer. 

Und ich fand beste Freunde aus ganz Deutschland und der Welt. Und ich fand eine riesige Bibliothek voller Wissen. Wahnsinn. Das war das Paradies. So viel Wissen in Büchern. Ich schwelgte. Wie 'ne Maus in ner Käserei. 

Mein Studium begann ich in einer Zeit, als in der Mensa für Ossis noch Plastic mit Plaste übersetzt wurde. Damit wir keine künstlerische Figuren in die entsprechenden Tonne warfen, sonder leere Jogurtbecher. Für ausländische Studenten gab es eine Einführung in den westdeutschen Alltag. Wir Ossis mussten alles selbst erfragen. Allerdings waren wir german nativ speakers. Das half. 

Bald war das vergessen. Und die Welt öffnete sich mir. Und auch die Stadt. Ich LEBTE in Göttingen, auch an den meisten Wochenenden und in den Ferien. Fast zehn Jahre lang. 

Und plötzlich hatte ich nach sechs Jahren den Magister-Titel. Ich, der native speaker aus dem Beitrittsgebiet, der zu Plastic Plaste sagte. Und der sich dreiviertel nach Um verabredete, statt viertel vor dem nächsten Um. Irgendwie so. Gut, dass es Digitaluhren gab. 

Ich hatte das erste Studium abgeschlossen. Ein Jahr lang musste ich den Abschluss in Latein machen, das Latinum, weil ich Latein nicht in der Schule hatte. 

In der DDR durfte ich auch nicht Archivwesen studieren. Das gelang mir endlich 30 Jahre danach. In der Fachhochschule Potsdam schaffte ich den Master in Archivwissenschaft. 

Eine große Sache: Mir gelang es, die Potsdamer Masterarbeit in Göttingen verteidigen zu dürfen. Der Erstgutachter war ein Professor in Potsdam, der Zweitgutachter mein Lieblingsprofessor in Göttingen. 

Beide Studien trafen sich in Göttingen, gaben sich die Hand und schenkten mir die Titel Magister und Master. 

So schloss ich schließlich de facto in Göttingen zwei Hochschul-Studien ab.

So schlossen sich Kreise. Das war toll. Das ist toll. Danke Göttingen.

Die geheimnisvolle Schwarze Sara

Foto: Kirche in Saintes-Maries-de-la-Mer im August 2023, mize2308
Foto: Kirche in Saintes-Maries-de-la-Mer im August 2023, mize2308

Das Dorf Saintes-Maries-de-la-Mer liegt in Südfrankreich an der Küste des Mittelmeeres, etwa 70 Kilometer westlich von Marseille. In der Krypta der Kirche steht die Figur der Heiligen Sara la Cali. Ein Treppe führt in den heiligen Keller. Der ist nur erleuchtet von vielen Kerzen. Deren Licht flackert. Nur die Figur der Sara erstrahlt gedämpft elektrisch. 

Der 25. Mai ist der Tag der Heiligen Sara. Sie beschützt die Menschen, die unterwegs sind. 

Sara la kali, Sara die Schwarze, gilt als Dienerin der Maria [der Mutter des] Kleophas und der Maria Salome von Galiläa.

Die beiden Marien waren Jüngerinnen von Jesus. Sie waren Mütter von Aposteln und erlebten die Kreuzigung mit. Nach der Kreuzigung flohen die beiden Marien nach Südgallien, in das Delta der Rhone, an die Küste des Mittelmeeres, südlich von Arles.

Dieser Ort ist wichtig für mich. 
Dort erreichte ich per Fahrrad das Mittelmeer. Dorthin zieht es mich immer wieder zurück. 

Sara war Ägypterin, später wurde sie als "Zigeunerin" gedeutet. Deshalb wählten die katholischen Sinti und Roma die schwarze Sara als Schutzheilige.

Die Heilige Schwarze Sara wird von der katholischen Kirche erwähnt, gehört aber nicht zu den privilegierten Heiligen. So wird katholisch-offiziell eher die Erzmutter Sarah am 9. Oktober verehrt oder Sara die Einsiedlerin am 13. Juli.

Die "gallische" Sara in Saintes-Maries-de-la-Mer diente den beiden Marien, wie eine Nonne ihrem Gott dient. 

Sara gilt als Erfinderin des Tarot, jenes geheimnisvollen Kartenspiels, das die Zukunft voraussagen kann. In den Karten des Tarot bleibt die Mythologie des Alten Ägyptens bewahrt. Das unterstützt die These, Sara sei Ägypterin gewesen. Sie muss sehr heidnisch gebildet gewesen sein, um sich so tief in der alten ägyptischen Mythologie auszukennen und dieses Wissen im Tarot zu verschlüsseln.

Andere glauben, die Figur der Sara stammt aus der kelt-iberischen Religion, die galt vor den Römern in Gallien. Sara war demnach eine uralte Mutter-Gottheit.

Die Figur der Sara wurde dann den biblischen Marien beigegeben, um das Christentum mit der alten Religion zu verbinden. Als Dienerin zwar, aber wir wissen um Macht und Einfluss persönlicher Dienerinnen auf ihre Herrschaft. Dienerinnen kennen die dunklen Geheimnisse ihrer Herrschaften. 

Zur Schwarzen Sara la Cali der Sinti und Roma führt ein anderer Pfad: Sinti und Roma stammen aus Indien. Dort mögen sie die Schwarze Kali verehrt haben. Die Kali, die Schwarze Göttin, ist älter als die hinduistischen Götter. Viel älter. Uralt. Ihre Wurzeln reichen zurück in die Urzeit, als die heiligen Mütter verehrt wurden.

Die Indoeuropäer verehrten die Hindu-Götter und schrieben die vedischen Texte in Sanskrit. Die Indo-Europäer wanderten von Norden her in Indien ein. Die alte Göttin Kali war schon dort als Göttin der Ur-Inder. Die Alten Mütter waren die ersten Göttinnen der Menschheit. 

Foto: Kirche in Saintes-Maries-de-la-Mer, mize2308

50 Jahre Stottern

Gestern erfuhr ich aus einem Schriftstück von 1983, dass ich 50 Jahre lang gestottert habe.

Ich verlor mein Stottern gegenüber Menschen dieses Jahr zum Fasching. Ich stand an fünf Tagen auf der Bühne als Ansager einer Band. Plötzlich war ich 'ne "Rampensau" durch Reden. Donnerwetter. 

Allerdings wusste ich die letzten 45 Jahre der 50 Jahre, ich kann fließend sprechen zu Tieren. Das vergesse ich niemals meiner Katze und meinem Hund. Danke. 

Nur gegenüber Menschen stotterte ich. Das verschwand zu Fasching 2024/25.

Das vergesse ich niemals den Menschen, die mir vertrauten und mich auf die Bühne ließen, für sie zu sprechen. Danke.

Mich hat immer geärgert, dass Stottern als Stilmittel genutzt wird, um in Filmen dumme Menschen darzustellen. Selbst in Filmen von Monty Python. Meine zwei Hochschulabschlüsse sollten das eigentlich widerlegen. Mein Rezept: Ich ignorierte mein Stottern. Andere nicht. 

Immer wieder erfuhr ich, Dummheit drückt sich überwiegend aus durch mündlich Äußerungen. Schweigende Menschen wirken grundsätzlich weiser. Es sei besser zu schweigen, und als Narr zu erscheinen, als zu reden und damit jeden Zweifel zu beseitigen, sagte Abraham Lincoln, ein wirklich historisch wichtiger Präsident der Vereinigten Staaten. Über Facebook verschriftlichte sich allerdings die Dummheit als Epidemie gerade von Leuten, die Epidemien leugnen. Auf so'n Paradox kommt wohl nur der liebe Gott. 

Ich sprach immer gern. Erzählte meinem Hund alles. Der wedelte meine Sorgen einfach weg. Gegenüber meiner Katze schwieg ich und erfuhr von ihr viel über die Unwichtigkeit der meisten Sorgen der Menschen. Wichtiger als meine Sorgen war ihr Schnurren. Sie verbrummmelte alle meine Sorgen. 

Weil ich nicht viel sprach, schrieb ich mehr und feilte an meiner Schriftlichkeit. Ich denke schriftlich und quassele auch schriftlich. Wie manche nicht aufhören zu reden, finde ich beim Schreiben oft die Bremse nicht. Das nervt Menschen, die von langen Texten überfordert sind. 

Ich bin glücklich, nun flüssig reden zu können und probiere das gerade aus, wo's sich ergibt. Das ist herrlich und schön. Und ich entdecke die Welt der redenden Kommunikation. 

In den 50 stotternden Jahren erfuhr ich viel über Menschen. Wie sie umgegangen sind mit meinem Stottern, das verriet mir viel über sie. Ich wusste, was ich von ihnen halten kann.

Ob ich mit Menschen reden konnte oder nicht, zeigte mir, was ich von ihnen erwarten könne. Allerdings konnten Vertrauen und flüssige Kommunikation auch wachsen und gedeihen. Diese innere Analyse-App fällt nun weg. Jetzt muss ich's erfragen und hören.

Das Schlachten von Bad Frankenhausen

Am 15. Mai 1525, vor 500 Jahren, kämpften bei (Bad) Frankenhausen 8.000 Bauern gegen 6.000 Söldner. Diesem Verhältnis waren die Bauern militärisch nicht gewachsen. Bei weitem nicht.

Die Schlacht bei Frankenhausen war ein Abschlachten von 6.000 Bauern. Der Sieg der Fürsten war Rache und Gewalt, weil sie's konnten. Nur 300 Bauern von 8.000 wurden weder in der Schlacht getötet noch hingerichtet. 

Zuvor siegten die aufständischen Bauern durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit. Klöster, Schlösser und sogar Burgen hatten dem nichts entgegen zu setzen. Sie wurden geplündert. Diese Erfolge verwechselten die Bauern mit wirklicher militärischer Stärke. 

Die Bauern und ihre Anhänger wollten nicht die "frühbürgerliche Revolution" umsetzen. Ihnen ging es um die Beibehaltung ihrer alten Rechte. Sie forderten die Auslegung der Bibel zu ihren Gunsten. 

Die Bibel war durch Luther ins Deutsche übersetzt worden. Passagen der Bibel verbreiteten sich durch den schnellen Buchdruck, in Flugschriften und Büchern. Vorher wurde die Bibel eher auf Latein zitiert. Und dadurch wurde ihre Botschaft vor den Bauern verborgen. 

Die Bauern stellten nun fest, die Bibel kann zu ihren Gunsten ausgelegt werden. Auch sie fanden Kraft und Zuversicht in den Worten Gottes an die Propheten und Könige. Die Bauern fanden Trost in den Worten Jesu an die Menschen. 

Hier setzen die Prediger an. Thomas Müntzer und andere sagten den Bauern auf Deutsch, was für sie in der Bibel zu lesen war. 

Die Fürsten und reichen Bürger wollten allerdings die Welt umgestalten. Die Spaniern hatten das viele Silber aus Amerika in klingende Münzen verwandelt. Das Prinzip Geld gegen Waren und Dienstleistungen löste den alten Tauschhandel ab. Jahrtausende lang waren bevorzugt Dienstleistungen und Waren direkt getauscht worden. Nur wenn das nicht ging, wurde Geld genutzt und Edelmetall. Nach altem Recht ernährten und versorgten die Bauern direkt den Adel, der dafür die Bauern schützen sollte. 

Um im neuen Geld-System mitspielen zu können, brauchten Fürsten und Bürger Geld und nochmals Geld. Sie verlangten Geld von den Bauern statt Dienstleistungen, Nutztieren und Feldfrüchten, Getreide usw. 

Die Fürsten nutzten ihre Privilegien und legten ihre Rechte neu aus, um ihre Wirtschaft auf Geldwirtschaft umzustellen. 

Das wollten die Bauern nicht. Sie fürchteten die Abwertung ihrer wirklichen Produktion. Und sie hatten recht. Bis heute legt der Finanzmarkt die Preise fest. Angebot und Nachfrage bestimmen den Wert einer Wahre oder Dienstleistung. Nicht die reale Leistung oder die Qualität des Produktes. 

Die Fürsten und Bürger wollten die Geldwirtschaft. Sie brachen den Widerstand der Bauern durch militärisches Gewusst-wie. 

Was neu war nach dem Bauernkrieg:

Die Motive der Bauern wurden schon kurz nach dem Bauernkrieg untersucht und anhand der Unterlagen von Müntzer aufgearbeitet. Juristen und Gelehrte analysierten die Forderungen der Bauern und fanden Antworten. So bekamen Bauern das Recht, gegen Unrecht juristisch vorzugehen. 

Aus Tradition und Willkür wurden schriftliche Regelungen und Gesetze, die juristisch ausgelegt werden konnten, auch von den Bauern. Sprich: Ein Bauer konnten sich quasi einen Anwalt  nehmen. Das war ein Fortschritt. 



Eine Übersetzung beschreibt die Menschheit


Hieronymus übersetzte die Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen ins Latein der Römer, zu seiner Zeit die Weltsprache in Europa. 

Dabei veränderte der Römer Hieronymus den Beginn des Evangeliums nach Johannes:

Aus
IM ANFANG WAR DER [Welt]GEIST ("Logos")
wurde
IM ANFANG WAR DAS WORT ("Verbum").

Hieronymus übersetzte also Weltgeist mit Wort. Nicht die Wirklichkeit war wichtig, sondern das Wort zur Wirklichkeit. 

Die Bibel des Hieronymus prägte das Mittelalter und wirkte weiter in der Bibel des Martin Luther. Selbst Goethes Faust legt die Hieronymus-Übersetzung aus. 

Die Folgen der Übersetzung erleben wir bis heute. Soziale Medien vervielfältigen das Wort ins millionenfache. Und die Bilder auch.

Es ist nicht wichtig, was wir empfinden, was wir wirklich erleben, was wirklich war oder ist. Wichtig ist das Wort darüber. Oder das Bild davon.

Wichtig ist nicht, was war, wichtig ist, was darüber geschrieben wird. Das kann auch ein Foto sein.

Fotos und Worte dokumentieren und transportieren Inhalte. Das gab es früher nur begrenzt mündliche oder in Zeichnungen, Büchern, Dokumenten oder Inschriften. Heute millionenfach bis milliardenfach. Neben Menschen direkt, können heute auch Maschinen Bilder und Texte erzeugen. 

Schon von Anfang an übermittelten Worte und Bilder die Information selbst plus deren Interpretationen: die Deutung und Meinung des Sprechers, Schreibers, Zeichners und Malers. 

Selbst Fotos sind nicht objektiv. Fotos betonen oder verschweigen, was der Fotograf will. 

Bilder und Worte übermitteln also immer die Meinung über die Wirklichkeit, nie die Wirklichkeit selbst. 

Meinung ist, wie die Wirklichkeit wirken soll. Wer die Bilder sieht oder die Worte liest, die Bilder sieht, liest und sieht, was er soll, was bei ihm wirken soll.

Der Empfänger sieht und liest nie, was wirklich war. Er sieht und liest, was wirken soll.

Weil Menschen auch die Wirklichkeit selbst nur wahrnehmen können wie Bilder und Worte, erschaffen Bilder und Worte Wirklichkeit und zwar mit Adresse, Zweck und Absicht. 

Daran sollten wir immer denken, wenn wir Bilder sehen und Worte lesen. Wir sollen und müssen immer fragen, was soll uns gesagt werden per Bild und Wort, was soll bei uns erzeugt werden? Wem nützt es?

Nur Wirklichkeit selbst ist wirklich. Bilder und Worte meinen, was wirken soll. 

Also durch Bilder und Worte soll immer manipuliert werden, wird immer manipuliert. Wahre Wirklichkeit ist niemals möglich, ist unmöglich zu transportieren. 

Das sollten wir immer bedenken, wenn wir sehen und hören. Selbst, wenn wir dabei sind, dann ist es unsere direkte Deutung, aber es ist auch nur eine Deutung. Besonders, wenn wir davon berichten in Wort und Bild. 

Wahrlich: Im Anfang war das Wort.