„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, ein vernünftiges Wort sprechen.“ _Johann Wolfgang von Goethe

Meine deutsche Einheit

Ich war jung genug, um direkt von der Deutschen Einheit zu profitieren. Das war und ist nicht allen vergönnt. Ich weiß. 

Die Monate des Umbruchs der zum Aufbruch wurde, waren glückliche Monate für mich. Für andere nicht, das achte ich. Wer nicht mehr jung genug war, für den war es schwer, weil vermeintliche Sicherheit wegbrach. 

Ich war jung genug und durfte in Göttingen, im Westen, meinen Traum studieren: Geschichte und Völkerkunde. Und ich durfte und konnte mit fuffzig nochmal studieren, Archivwissenschaft in Potsdam. So wurde ich Magister und Master.

Nach meiner DDR-Erfahrung der staatlichen Zuteilung von Studienplätzen, war das großartig. Dadurch habe ich aber auch schon in der DDR studiert und genoss das damalige Studentenleben in Weimar. In drei vier Monaten 1990 explodierte die schöne und gesellige Kreativität in der Goethe-Schiller-Stadt. 

Aber was war das für ein Paradies für mich: Die Universitätsbibliothek in Göttingen: So viele Bücher, vollgestopft mit Wissen. Ich fühlte mich wie eine Maus in der nächtlichen Käserei. Und die Oberräte und Professoren erzählten mir so viel über Geschichte. Gut, einige waren als Redner nicht auszuhalten. Aber die überaus meisten machten mich bekannt mit Dingen, die ich wissen wollte. Die saugte ich ein.

Und ich konnte nach Nord- und Mittelamerika reisen, mit Rucksack  durch Guatemala. Und ich bin dankbar, mit Andalusien und Frankreich wirklich verbunden sein zu dürfen. Ich erreichte kurz nach der Wende per Fahrrad das Mittelmeer in Saintes-Maries-de-la-Mer, das prägt mich bis heute. Tief, profund y/i/et profundo. Ich war und bin so oft in Südfrankreich, Leute in meine Heimat vermuten, ich hätte Kinder dort.

Ich bin dankbar, in Amerika, Westdeutschland und Westberlin, Frankreich und Katalonien sehr gute Freundinnen und Freunde gefunden zu haben. Die ich auch besuchen darf, wann ich will und kann und Urlaub habe. Ich fühle mich heimisch in Göttingen, München, Berlin. Meine Lebenswurzeln pulsieren aber in der Vogtei, Mühlhausen und im Hainich. Ich bin Thüringer. Punkt.

Ich danke glücklich meine Freunde und besten Bekannten, die ich finden durfte, überall. Ich danke Euch. 

Und ich bin froh, ein Ossi zu sein, beide Systeme erlebt zu haben. Und immer Thüringer geblieben zu sein. Hier wurzele ich tief und tiefer. Seelische Nahrung finde ich aber auch in Süd- und Mittelfrankreich und Andalusien. 

Und ich darf beruflich in die Geschichte eintauchen als Historiker und als Archivar Entscheidungen fällen, die die nächsten Jahrhunderte betreffen. Ich bin Archivar. Ich bestimme, was bleibt. So wie Archivare vor mir schon Archive füllten.