Grafik Michael Zeng |
Am 8. Mai 1945 endete offiziell der Zweite Weltkrieg auch in der Vogtei. Das ist nun 80 Jahre her. Ich möchte erinnern an die letzten Toten des Zweiten Weltkrieges in der Vogtei.
Es gibt dieses berühmte Foto von der Häuserecke in Oberdorla und sogar Dokumentarfilme. Das Foto möchte ich hier nicht interpretieren, und die Aussagen der Filme nicht kommentieren. Auch möchte ich keine Erinnerungen sprechen lassen-
Ich möchte amtliche Quellen erzählen lassen.
Vor mir liegen die Sterberegister von Langula, Niederdorla und Oberdorla. Die wurden seit 1874 von den Standesämtern der drei Dörfer geführt. In den Sterberegistern sind die Menschen eingetragen, die in den Dörfern der Vogtei starben, egal, wo sie geboren wurden oder zuletzt wohnten.
Die Sterberegister wurden vom Standesamt nicht geschrieben, um etwas zu erzählen, sondern dienten dem amtlichen Zweck der aktuellen Gegenwart von 1945.
Zum jeweiligen „Sterbeeintrag“ wurden damals die amtlichen Todesursachen eingetragen. Die drei Bücher liegen im Kreisarchiv des Unstrut-Hainich-Kreises.
Erinnern möchte ich an die Toten, die durch kriegerische Ereignisse in der Vogtei starben noch kurz vor dem allgemeinen Kriegsende. Dieser Bericht ist möglich, weil damals der Standesbeamte die Todes-Ursache vermerkte. So wird deutlich, dass die erwähnten Menschen durch den Krieg starben.
In Langula starb am 5. April 1945 die Schülerin Lisbeth Werner. Sie wurde acht Jahre alt. Gestorben ist Lisbeth an einem Schuss durch den linken Lungenflügel. Es bildete sich ein Hautemphysem, eine Schwellung unter der Haut. Dadurch erstickte das Mädchen.
Am selben Tag, am 5. April, starben in der Gemarkung Langula drei Soldaten der Wehrmacht: der 18-jährige Ober-Kanonier Johann Tschiggerl aus Österreich, der 19-jährige Gefreite Herbert Perschel aus Schlesien und der 36-jährige Kanonier Paul Heppe ebenfalls aus Schlesien. Die Soldaten wurden auf den Feldern um Langula gefunden. Die drei toten Soldaten wurden auf dem Friedhof in Langula beerdigt. Ihre persönlichen Daten wurden über ihre militärischen Erkennungsmarken ermittelt. Das waren Metallplättchen, die die Soldaten an einer Kette um den Hals trugen. Anhand der eingeprägten Abkürzungen und Zahlen konnten die Soldaten identifiziert werden.
In Niederdorla erlag am 6. April der Arbeiter Paul Heinrich Dietzel seinen „durch Fliegerbeschuss erlittenen Verletzungen“, wie der Standesbeamte vermerkt. Er wurde 39 Jahre alt. Es ist nicht vermerkt, wann der Flieger angegriffen hat.
In Oberdorla starb am 4. April die „Direktrice“ Marie Thielemann an ihren Verletzungen. Eine Direktrice ist eine Modell-Schneiderin, also eine Modedesignerin. Die 44-Jährige hatte ihren rechten Unterschenkel verloren, durch „Feindeinwirkung“, wie der Standesbeamte vermerkte. Sie starb durch den Blutverlust.
Die Witwe Anna Marie Schreiber starb ebenfalls am 4. April in Oberdorla durch einen Granatsplitter im Kopf. Sie wurde 80 Jahre alt.
Der Rentner Heinrich Adam Fritzlar und seine Ehefrau Christine starben in ihrem Haus, Marktweg 43 „durch Feindeinwirkung“, vermerkte der Standesbeamte. Sie wurden beide 73 Jahre alt. Da das Ehepaar in ihrem Haus durch "Feindeinwirkung" starb, schrieb der Standesbeamte das Rentner-Ehepaar seien "gefallen".
Der Landwirt Johann Heinrich Scheffel „wurde anschließend an die hier stattgefundenen Kampfhandlungen tot aufgefunden“, vermerkte der Standesbeamte. Der Kammerforster starb am 5. April. Er wurde 55 Jahre alt.
Das waren die zehn Menschen, die in der Vogtei direkt durch den Zweiten Weltkrieg starben. Sie starben ganz kurz vor Ende des Krieges.
Auf drei Soldaten kamen sieben Zivilisten, darunter ein Kind, ein Arbeiter, ein Bauer, eine Mode-Designerin und drei Senioren.
Michael Zeng, Vogteier, Historiker und Archivar