„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, ein vernünftiges Wort sprechen.“ _Johann Wolfgang von Goethe

Die Kunst des Hier-seins


Der Puppenspieler von Hiddensee fragte mich, was er für mich tun könne. Ich saß vor seinem Theater auf einer roten Bank. "Danke. Nichts. Ich sitze hier nur und freue mich, hier zu sein." Morgen besuche ich seine Vorstellung. Wie schon viele Male. 

Hiddensee ist eine Insel in der Ostsee. 
Die Insel ist schmal gestreckt von Nord nach Süd etwa 18 Kilometer lang und zwischen 250 Metern und 3 Kilometern breit. Hiddensee ist der Insel Rügen im Westen vorgelagerten.

Auf der Karte sehen die Umrisse aus wie ein mageres Seepferdchen. Der Kopf im Norden gen Osten geneigt.

Man spürt überall, auf einer Insel zu sein. Man riecht und fühlt es.

Viele Jahrhunderte lang gehörte Hiddensee politisch zu Schweden. Dann zu Preußen und zur Stadt Stralsund. Heute zu einem Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern. 

Ein Kloster zivilisierte Hiddensee ab dem Mittelalter. Außerdem betrieben die Mönche ein Leuchtfeuer im Süden der Insel. Das gibt es heute noch, allerdings elektrisch. Und die Mönche bauten eine Kirche für die Bauern. Die steht heute noch. Zum Kloster gehörte das Dorf Grieben, das älteste der Insel. 

Bis in die späten 1920er-Jahre galt Hiddensee als einsam und wild.

Danach wurde die Insel an Versorgs- und Verkehrsnetze angebunden. Fähren verbinden Hiddensee mit Stralsund und Rügen. Drei der fünf Orte haben eigene Häfen.

Kultur bringen ein Zeltkino, ein hochwertiges Puppentheater und viele Lesungen und kleine Konzerte. 

Diese reiche intellektuelle Kultur wurzelt in den 1920er- bis 1980er-Jahren, als Schriftsteller, Maler, Tänzerinnen, Schauspieler, Männer und Frauen auf der Insel ihr Paradies fanden. Viele wollten hier begraben sein.

Heute dürfen keine privaten Pkw auf der Insel fahren. Kfz haben der Arzt, der Polizist und die Feuerwehr. Versorgungsfahrzeuge fahren elektrisch. Menschen radeln. 

Wild ist Hiddensee nur noch außerhalb der fünf Orte. Es gibt eine besondere lila Heide. Es gibt auch Wald und Berge, flachen Strand und Steilküste zur Ostsee hin.

Die Orte haben alle eine Einkaufsmöglichkeit, viele besondere Cafés und Restaurants. Die Preise sind relativ normal, deutscher Durchschnitt.

Die Dörfer wollen von sich aus ländlich bleiben. Das ist sehr angenehm. Und lockt viele Menschen, die genießen die relative Ruhe. Die wollen kein Sylt. Hiddensee ist so ruhig, wie man sich die Insel ruhig macht. Möglichkeiten gibt es viele. 

Im Westen wogt die Ostsee. Sie schenkt tolle Sonnenuntergänge. Vor neuen Tagen, zwischen Bodden und Meer. 

Michael Zeng