Das Alte und das Neue Testament der Bibel bestimmen die Schriften und Gedanken, bestimmen das Denken und Handeln und Wirken unserer abendländischen Kultur.
Auch die Leute, die sich Vorstellungen zuwenden, die vor dem Christentum in Europa wirkten, selbst die Leute sollten sich bewusst sein, wir wissen überhaupt von diesen heidnischen Vorstellungen, weil diese sich in die christliche Kultur integrierten. Ostern ist so ein Beispiel: Gläubige gehen zum Gottesdienst und färben zu Hause Ostereier die vermeintlich ein Hase bringt. Vom Osterhasen berichtet die Bibel nix. Der brachte die Symbole der Fruchtbarkeit auch schon vor den Missionaren. Und welche Göttinnen als Marien weiter wirken, davon erzählen ganze Bibliotheken.
Aber das ist ganz okay, wenn wir betrachten, was hinter dem Glauben steht. Dort wirkt das Numinose, also das, was nur durch den Glauben fassbar ist. Damit umzugehen, fand jede Kultur ihren eigenen Weg.
Nun zurück zur Bibel: Auch außerhalb von Kirche, Konfessionen, Gottesdienst: Aussagen, Zitate, Bücher der Bibel wurden immer wieder gelesen, gelehrt, verkündet, interpretiert, als Grundlagen genommen für große Politik, große Überlegungen und kleine Gedanken, auch für kleinliche. Und selbst, wer die Texte der Bibel ablehnt und alles Kirchliche usw. Selbst die sogenannten Atheisten, also diejenigen, die weder an Gott noch an Götter glauben, selbst die reiben sich an Worten der Bibel. Ja, auch die, die die Bibel bewusst nicht lesen oder vergessen. Diese Leute erkennen ja in der Bibel eine Wort-Macht, die beeinflusst.
Was für ein Buch! Im Übrigen bin ich der Meinung: Die Bibel hat die Macht, direkt zu beeinflussen, direkt zu wirken auf jeden, der die Bibel liest. Die Bibel ist eine unerschöpfliche Quelle.
Aber es gibt noch ein zweites Buch, das mich und viele andere fasziniert: Es ist das Tao Te King, also das Buch vom Weg und vom Sinn. Verfasst hat es ein chinesischer Bibliothekar und Archivar: Laotse, etwa vor 2600 Jahren.
An nur 81 Sprüchen reibt sich die Welt, muss sich messen lassen. Laotse behauptet frech Unerhörtes:
Die Welt sagt bis heute: Du musst sammeln und anhäufen, was Du kriegen kannst, "kriegen", wie Krieg. Laotse sagt: Weniger ist mehr. Versuche immer mehr abzugeben, wegzunehmen, bis die Essenz übrig ist.
Die Welt sagt: Alles muss geregelt werden, durch Gebote, Gesetze, Vorschriften, Regeln, durch Leute, die Regeln vorgeben. Laotse sagt: Je mehr Verbote, um so mehr Verstöße. Wenn wir so wären, wie die kleinen Kinder, ohne Regeln, im Fluss des Daseins, dann sind Gebote und Gesetze nicht nötig.
Das widerspricht natürlich allem, was wir lernen, was Gruppen und Gesellschaft uns lehren. Und gerade deshalb wirkt das Tao Te King.
So verkörpern Bibel und Tao Te King die beiden Pole des Globusses des gesellschaftlichen Denkens der abendländischen Geistesgeschichte.
Deshalb liebe ich diese beiden Bücher.